Warum Mensch und Maschine in der Bauwirtschaft zusammenarbeiten sollten.

Einblicke in unsere Forschung.

Planungsfehlschlüsse als Motivation.

Der Bau des neuen Berliner Flughafens (BER) und viele andere prestigeträchtige Bauprojekte (z.B. der Bau des Eurotunnels oder des Sydney Opera House (Hall 1982)) zeigen, dass Planungsfehlschlüsse von Menschen oft zu Verzögerungen in Bauprojekten führen. Planungsfehlschlüsse wurden wissenschaftlich zuerst von Kahneman und Tversky (1977) beschrieben. Sie zeigen, dass Menschen bei der Planung von Projekten tendenziell die Zeit unterschätzen, welche benötigt wird um das Projekt erfolgreich abzuschließen. Die Folge dieser Fehlschlüsse sind in der Regel erhöhte Kosten, längere Projektdurchlaufzeiten und eine verminderte Qualität.

Oft sind diese Fehleinschätzungen jedoch nicht der mangelhaften Expertise von Verantwortlichen zuzuschreiben. Vielmehr wirken systemische Ursachen: Durch die stark fragmentierte Bauwirtschaft, die steigende Komplexität der Bauvorhaben und ihre zeitliche Begrenztheit entstehen Wissens- und Schnittstellenverluste. Einen analytischen Überblick über das Projekt, ohne Bias durch vorherige Projekte, bei sich ständig ändernden Parametern zu behalten, stellt eine enorme Herausforderung für Führungskräfte dar. Hieraus folgen häufig eine schlechte Führung und schlechte Entscheidungen (Bent Flyvbjerg 2020), die in den Planungsfehlschlüssen münden. Nach Kahneman und Tversky (1977) ist ein Stellhebel um diesem Problem entgegenzuwirken, die Ermöglichung eines Zugriff auf verteilte Informationen aus einer Vielzahl an Projekten. 

Durch die Komplexität von Bauprojekten können viele Faktoren auf Entscheidungen wirken, die als Informationen in einem Projekt zu dokumentieren sind. So zeigen Fallbeispiele in der Prognose der Projektdauer auf, dass einfache Modelle, wie das Bromilowsche-Modell von 1980, nicht in der Baupraxis anwendbar sind (Magnussen 2006, Flyvbjerg 2002). 

Weitere Forschungsarbeiten legen dar, dass Methoden der Künstlichen Intelligenz bessere Prognosen treffen, da eine Vielzahl an Faktoren aus einer Vielzahl von Projekten maschinell ausgewertet werden kann (z.B. Petruseva 2012, Dissanayaka 1999, Wei 2006). In diesen Arbeiten wurden vor allem Künstliche Neuronale Netze (KNN) angewendet. KNNs agieren nach dem “black box”-Ansatz. Sie sind nicht “inherent” für den Menschen verständlich wie z.B. ein Entscheidungsbaum. Offene, transparente “glas box”-Ansätze sind zur nachvollziehbaren Entscheidungsfindung erforderlich.

Mensch und Maschine - wie gut sind beide im Vergleich?

Um zu vergleichen wie gut Mensch und Maschine Entscheidungen treffen, wurden anhand eines Datensatz verschiedene KI-Modelle trainiert. Der Datensatz enthält 225 Projekte mit fünf beschreibenden Merkmalen im Bereich des Hochbaus sowie des Infrastrukturbaus (d.h. Straßen-, Brücken- sowie der Kanalisationsbau) in New York. Es wurden verschiedene Entscheidungsbäume (z.B. Random Forest, GBT, catboost) trainiert, um auf die Dauer von Bauprojekten vorherzusagen und das Trainingsmodell anschließend an einem unbekannten Testdatensatz zu evaluieren. Die Vorhersagen der KI-Modelle wurden anschließend mit der vom Menschen prognostizierten Dauer verglichen. Die folgende Abbildung zeigt den Vergleich. Zu erkennen ist, dass der Mensch bei den meisten Projekten mit seiner Prognose näher an der realisierten Dauer lag als die Maschine (Anzahl der Fälle). 

 

Der Vergleich zwischen Mensch und Maschine bei Entscheidungen in der strategischen Phase in einem Bauprojekt unter einer hohen Unsicherheit zeigt die Vorteile einer datengetriebenen Analyse distributiver Informationen auf: Es kann mit distributive Informationen umgegangen und Wirkungsmechanismen können zur Entscheidungsfindung transparent und objektiv aufgezeigt werden. Mit der Hinzunahme weiterer Merkmale und einer größeren Projektdatenbank können die Ergebnisse weiter verbessert werden. Auch kann vermutet werden, dass mit einer Abnahme der Unsicherheit und der Zunahme an Informationen innerhalb des Projektes bessere Ergebnisse durch die Maschine produziert werden können.

Da der Mensch als letzter Entscheidungsträger eintritt und die Dauer eines Bauprojektes auch durch zahlreiche weiche (d.h. nicht quantifizierbare) Faktoren bestimmt wird, bleibt der Mensch bei relevanten Entscheidung weiterhin essentiell. Eine Zusammenarbeit von Mensch und Maschine scheint daher zukünftig sehr sinnvoll

Wäre die Planung des Berliner Flughafens BER durch KI-Modelle besser gewesen?

Erklärbare KI-Modelle können bei der Planung und Realisierung von Bauprojekten unterstützen, da sie eine Vielzahl an Parametern aus einer Vielzahl an Projekten objektiv auswerten können. Risiken können so schnell und transparent analysiert werden. 

Da Modelle auf Basis des jeweiligen Datensatzes trainiert werden und bisher weltweit keine Datenbank mit tausend dokumentierten Flughafenprojekten existiert, kann kein spezifisches Flughafen-Bauprojekt-Modell trainiert werden. So sind in der Forschung folgende zwei Fragen zu stellen:

1. Inwieweit können identifizierte Wirkungszusammenhänge auf Projekte einer andere Kategorie, eines anderen Standortes oder einer anderen Größe übertragen werden können?

2. Wie wirken weiche Faktoren in das Training von KI-Modelle ein? Beispielhaft können hier Vertrauen, Akzeptanz oder die Kollaboration der Projektbeteiligten genannt werden. 

Auch in anderen Bereichen sind Fehlplanungen zu finden.

Fehlplanungen sind nicht nur bei der Prognose der Dauer von Großbauprojekten zu finden. Auch in anderen Projektphasen sind die Aufgaben weiterhin sehr komplex: Werden in der Bauwerksplanung einzelne Objekte geplant, so kann es zu einer fehlenden Einplanung oder fehlerhaften Anordnung kommen. Die Vertragsgestaltung kann durch die Definition des Leistungsverzeichnisses falsch interpretierbare oder fehlende Passagen enthalten. Oder bei der Aufnahme des Baufortschritts können einzelne Elemente vergessen werden. 

Die maschinelle Analyse und der Vergleich von einer Vielzahl an Projekten sowie Abschnitten innerhalb des Projektes kann dabei helfen, diese Planungsfehlschlüsse zu reduzieren. KI-Modelle können hier den Menschen unterstützen, Suchzeiten reduzieren und Auswertungen verbessern. Entscheidungen sowie die Führung von Bauprojekten kann schlussendlich verbessert werden. 

Bei Fragen und Interesse an den oben genannten Inhalten können Sie sich gerne an svenja.oprach@kit.edu wenden. Die Ergebnisse sind einen Teil einer Doktorarbeit am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb.